Reisebericht aus der Herzkammer des Snookersports


Nein, wir reden jetzt mal nicht von den UK-Championship, wir reden nicht von Selby, Ronnie oder Murphy – es wird viel besser: wir waren nämlich in Karlsruhe, Kreis Karlsruhe, südlich gelegen und weit weg von unseren rauchenden Schloten im Wilden Westen.

Wenn der mittlere Westen das Kernland der USA ist, ist Baden-Württemberg die Bundesrepublik im Brennspiegel: dreispurige Autobahnen ohne Baustellen (die war definitiv in Hessen!), keine Geschwindigkeitsbegrenzung, eine Siemensallee und eine Seydlitzgasse, große, fette SUV, die man flink mit Lichthupe und Blinker links im Rückspiegel auftauchen sieht, dazu ein gemütlicher Menschenschlag semiurbaner Halbgroßstädter, die ein sächsisches Bayerisch schwätze tun und kilometerlang am Weihnachtsmarkt anstehen, um irgendwas zu essen, was der Stadtschreiber nicht kennt. Eine Taxifahrt von Karlsruhe nach Essen kostet übrigens 650 Euro. Das Venue für den Grand Prix allerdings liegt in einer Gegend, die selbst den Hauptstädtern die Schamesröte ins Gesicht treibt, verbergen sich doch hinter Klingelschildern wie „Kaiser’s Massagesalon“ oder „Baphomet Schmerzbehandlung“ gänzlich andere Gewerbe als man so landläufig im bundesdeutschen Bible Belt erwarten würde, der Fußweg führt so manchen der Unseren vor marodierenden Jugendgangs Deckung suchend ins Halbdunkel und auf dem Rückweg geleitet man schonmal barmherzig den ein oder anderen eingeborenen Volltrunkenen von der zweispurigen Stadtautobahn auf den sicheren Gehweg. Also doch nicht so wahnsinnig anders als bei uns hier, viel Fassade, feuchter Putz und eine bröckelnde Bausubstanz – is nett da unten.

Samstagmorgen tritt der Club aber komplett in Mannschaftsstärke mit dem Grafen Jan vom Eisenstein, Sportchef Earl Grey, Stephan und dem Stadtschreiber an beiden Spielorten pünktlich und vollzählig an, unser Vereinsmeister Daniel und Sciborski d. Ältere verstärken unsere Delegation darüber hinaus sportlich und rechtlich. Ohne große Überraschungen nach der Gruppenphase haben dann die beiden Senioren den Sonntag komplett frei, wobei der Stadtschreiber ziemlich überraschend für alle Beteiligten ein neues persönliches Highbreak mit einer 58 auf die Platte hustet, aber folgerichtig alle weiteren Frames abgibt. Stephan hat echtes Losglück und zieht als Gruppensieger den Deutschen Meister für die Zwischenrunde – eigentlich mögen wir den Simon ja alle echt gerne, aber zuerst den Bock und dann auch noch unseren Grafen rauszuhauen, geht irgendwie gar nicht… Daniel verliert im Verlauf des Sonntags ebenfalls ein entscheidendes Spiel, aber daran kann ich mich jetzt aktuell nicht erinnern, wahrscheinlich aber gegen einen anderen Snookerspieler. Spätestens das Viertelfinale läuft leider komplett ohne uns, das Halbfinale immerhin sieht zur Abwechslung auch mal wieder ein paar deutsche Spieler an den Tischen, einzig Herr Dr. Obermagistratsrat des. Ploner schwänzt die Bundespräsidentenwahl in der Alpenrepublik und gewinnt am Ende sogar gegen bereits erwähnten Simon L. aus B. im Finale das komplette Turnier.

Hätte also ein rundes und entspanntes Snookerwochenende werden können im südlichsten Bindestrich-Bundesland, wenn da nicht die Hiobsbotschaft aus der heimischen Verbandsliga gewesen wäre: ohne das Herz und den Kopf der Truppe verliert die aus vier Leuten bestehende Rumpfelf schon ihr zweites Spiel in Folge, diesmal auswärts in Dingens bei Bielefeld und überwintert auf dem drittletzten Tabellenplatz. Das ist Abstiegskampf. Die Oberligamannschaft schließt nach dem vorwöchentlichen nicht nur sportlichen Durchhänger zumindest punktemäßig wieder zum Spitzenreiter auf und strahlt hell und weit nach Mohammads 80er und 70er Break (in einem Spiel!) vom zweiten Tabellenplatz.

Bis der dicke bärtige Mann mit dem tuntigen roten Pelzmantel und den Lackstiefeln bei uns im Schornstein hängen bleibt, steht noch ein Doppel-Auswärts-Bundesliga-Spieltag in Villlingen und Stuttgart an, bevor es dann am Wochenende vor Weihnachten zum letzten Showdown des Jahres kommt: wir können echt noch das Double 2016 holen, dazu müssen wir lediglich das Pokalfinale in Berlin Bielefeld gewinnen…

Sportdirektor Fischer zieht ein dementsprechend verhaltenes Zwischenfazit: „Na ja, es liegen zwar noch zwei große Snooker-Events in 2016 vor uns, aber generell können wir natürlich nicht zufrieden sein mit dem bisherigen Saisonverlauf. In der Bundesliga hätten wir trotz der Neustrukturierung sicher den ein oder anderen Punkt mehr haben können, die Dritte versinkt in der vierten Liga im Abstiegskampf und lediglich die Oberligamannschaft ist einigermaßen auf Kurs – zwar besteht noch die Chance auf einen weiteren Mannschaftstitel im Pokal, aber da haben wir uns natürlich von unseren Mannschaften mehr erhofft. Bei den Einzelwettbewerben haben wir auch Licht und Schatten, bei den Herren und den Senioren muss deutlich mehr kommen, hier hat mich lediglich der Nachwuchs überzeugt, weil wir mit Daniel und Jan die U17- und U19-Titel auf Landesebene gewonnen haben, das ist natürlich durchaus erfreulich. Uns fehlen ja nicht die Grundlagen, meistens sind es halt die Kleinigkeiten, die nicht passen und manchmal fehlt uns vor dem Tor schlicht auch die Kaltschnäuzigkeit, mal dreckig einen Elfer zu schinden. Daran werden wir arbeiten!“

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